Das Impostor Syndrom

Mich begleitet das schon mein ganzes Leben lang. Menschen, die darunter leiden, und hier kann man wirklich von Leiden sprechen, schieben ihren Erfolgen gern Faktoren zu, die sie nicht selbst zu verantworten haben. Glück, Zufall, Vitamin B usw. Das hat allerdings einen Ursprung. Es sind fast immer Menschen, die es gewohnt sind, dass ihr WERT immer an Leistungen festgemacht worden ist. Klar, von anderen. Nur, wie soll man als Kind oder Jugendlicher und später als junger Erwachsener etwas anderes glauben, als das, was man doch immer und immer wieder erfahren hat.

Mittelmaß

Das fängt schon mit der Note in der Schule an. Eine Drei war es nicht wert, gewürdigt zu werden, selbst wenn Du diesem Fach gar nichts abgewinnen konntest und wirklich unfassbar viel gegeben hast um auf diese Drei zu kommen. Es blieb ein *befriedigend* und das ist weit weg von GUT oder Sehr gut. Es wurde nicht gesagt, die Arbeit ist befriedigend aber Du bist gut und wir haben dich lieb. Sondern, nunja Du bist halt so Mittelmaß. Also noch mehr anstrengen, noch mehr leisten. Hammerdruck wird aufgebaut. Umso schlimmer, wenn man an sich immer als gut oder sehr gut galt. Mir ist das so passiert, dass ich in der Schule verbal nicht so auffällig war, schriftlich allerdings immer glänzte. Nicht alles habe ich verstanden aber ich war top im Auswendiglernen, verstand ich etwas nicht, lernte ich es auswendig und schrieb Einser. Bei der Klassenarbeitsrückgabe hieß es dann, ja, wie immer Elke mit der 1, komm bitte nach vorne um Deine Arbeit abzuholen. Schon allein das war mir unangenehm. Ich wurde gelobt für Dinge, die ich gar nicht konnte, also vom Verständnis her und da war es zum ersten Mal dieses verdammte Impostor Syndrom. Diese Angst entlarvt zu werden. Denn ich konnte es ja nicht, ich wußte es nur alles auswendig. Da mir das aber so leichtfiel, war es ja nicht der Rede wert in meinem Werteverständnis. Ich versuchte nur immer wieder, niemanden zu enttäuschen.

Supergau

Und dann kam der Tag, an dem ich bloßgestellt wurde, vor der gesamten Mannschaft. Ich studiert BWL mit Schwerpunkt IT (nur, weil der Marketingkurs voll war) und es war zu einer Zeit, als noch Turbopascal gelehrt wurde. Ich war grad Mama geworden und wollte noch mal neu durchstarten. Dieses verdammt IT wollte mir einfach nicht in den Schädel. Parameter lernte ich wieder auswendig aber verstanden hatte ich nix. In der Klausur sollten wir einen Organisationsablaufplan mit Turbopascal programmieren. Ich versagte jämmerlich. Ich bekam keine 3 keine 4 oder 5 sondern eine 6! Und wurde öffentlich getadelt. Die mit Abstand schlechteste Klausur heute von Elke Dola. Ich war fix und fertig und jeder hatte es gehört. Ich war nix Besonderes mehr, nein, ich war die Schlechteste. Von allen! Und alle anderen waren besser. Mein Studium war versaut, kurz vor dem Abschluss.
Wertlos
Wertloser konnte man sich nicht mehr fühlen, ich wollte da nie wieder hin, so groß war die Scham. Die guten Leistungen in allen anderen Fächern konnte ich mir gar nicht ins Gedächtnis rufen und außerdem hing dieses Studium an dem Schwerpunktfach IT.
Selbstbestrafung
Ich schmiss und fuhr die erste so bewusst erlebte Niederlage ein und erholte mich nie davon. Da war sie endlich, die Bestätigung dafür, dass ich ein Hochstapler bin, das war der gerechte Ausgleich für mein jahrelanges Nichtverstehen und trotzdem Einser schreiben. Jetzt ist es raus. Ich bin nichts wert. Und alle anderen sind besser. Alle. Jeder. Einzelne. Puh, das war eine Lektion, die ich noch gar nicht kannte. Es hat drei Jahre gedauert, bis ich mich an ein neues Studium wagte, weit weg von IT, psychologische Ausrichtung. Nie mehr wagte ich mich an Gebiete, die im entferntesten mit Logik, Zahlen und Programmieren zu tun hatten. Und dieser Schock sitzt tatsächlich heute noch. Kann ich das wirklich, bin ich wirklich so gut, wie andere glauben, habe ich es verstanden oder einfach nur angelesen? Ich traue mir manchmal selbst nicht über den Weg. Das ich durch dieses Auswendiglernen ein solides Wissen aufgebaut habe und es auch anwenden kann, vergesse ich sofort, wenn es darum geht, von anderen dafür beurteilt zu werden, also in die Öffentlichkeit gehe. Inzwischen weiß ich aber was ich kann und es ereilt mich immer seltener, dennoch, es ereilt mich . Immer wieder komme ich an den Punkt, mich zu fragen: wer bin ich, dass ich anderen Tipps geben könnte, ihnen helfen könnte, dieses oder jenes habe ich doch gar nicht grundständig gelernt, einen Doktortitel habe ich auch nicht, dass ich es trotzdem kann, muss ich im Außen hören, sonst kann ich es nicht glauben. Aber wißt ihr was?
Es gibt ein viel, viel schlimmeres Syndrom und davon sind weit mehr Menschen betroffen. Sie haben den Dunning-Kruger Effekt
Wer das hat, leidet überhaupt gar nicht, denn ihm fehlt die intellektuelle Substanz, die eigene Beschränktheit überhaupt zu erkennen, sie sind laut, selbstherrlich, fordernd, fallen oft unangenehm auf, und überschätzen sich maßlos, merken es aber nicht. Und deshalb habe ich lieber das ImpostorSyndrom J das ist ruhiger, bescheidener und sorgt dafür, besser und besser zu werden, weil man es sich auch selbst beweisen will. Lieber bleibe ich ambitioniert und frage mich ab und zu, ob das, was ich gerade vorhabe, nicht doch eine Nummer zu groß ist. Das erdet. Glaubst Du, das hat mit fehlendem Selbstwert zu tun? Ich glaube das nicht, sich immer mal wieder zu hinterfragen kann nicht schaden, ein wenig Selbstreflexion ist durchaus hilfreich. Sofern Du nicht stecken bleibst in dem: ich bin bestimmt nicht gut genug. Das sollte natürlich nicht passieren. Nutze Dein Impostor lieber um immer noch ein wenig besser, im Sinne von SICHERER zu werden.  
www.quovadix.de Elke Dola ist PotentialProfiler und Mindset-Ninja, Wirksamkeitstrainerin, Keynote-Speakerin, Dozentin für Körpersprache, Rhetorik und positive Kommunikation, Referentin für salutogene Gesprächsführung, Kolumnenschreiberin, Arbeitspädagogin, Texterin und staatl. gepr. Referentin für Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit (DAPR), Mentor für Online- und OfflineunternehmerInnen und zert. psychologische Beraterin nach Dr. Migge