Blogparade Werte-erleben mit Nicole Zöbl

Nicole Zöbl, die eine wunderbare und herzerwärmende Seite über, von und mit Kindern betreibt, hat mich eingeladen, einen Gastbeitrag zu schreiben. Es hat eine Weile gedauert, denn so einen Artikel über Werte kann man nicht schreiben, ohne sich selbst mal wieder mit seinen eigenen Werten auseinander zu setzen  –  aber nun ist er fertig. Danke, dass ich an dieser Blogparade http://nicolezoebl.at/blogparade-werte-erleben teilnehmen darf mit diesem Gastartikel, in dem ich mich mal über Werte auslassen darf, ist ja auch eines meiner Lieblingsthemen.

 

Werte erleben

Wenn ich über *Werte erleben* nachdenke, schreibe oder spreche, so gelange ich sehr schnell an den Wendepunkt meiner eigenen Aussagen und höre mich plötzlich über den Wertewandel reden.
Damit ist nicht der wissenschaftlich erforschte oder mit 100 Studien belegte Wandel der Gesellschaft gemeint. Nein, es ist mein eigener und Deiner und vor allem der unserer Kinder

 

Was ist geschehen?

Galten noch vor 30 Jahren (!)- patriarchalische Regeln in vielen Haushalten, ich komme auch aus einem solchen Haushalt. Die in meiner Familie geltenden patriarchisch geprägten Werte wollte ich insbesondere nicht akzeptieren – umso mehr suche ich heute doch in allen Ecken nach diesen Werten.
Gehasst habe ich sie, diese verdammten Regeln:

  • sprich nicht wenn Erwachsene sich unterhalten (unverschämt fand ich das)
  • geh in Dein Zimmer wenn Deine Eltern Besuch bekommen (waaaaas, wohl das Allerletzte)
  • sag mal guten Tag, das ist der Chef vom Papa (Blödmann, mir doch egal)
  • Wie Dir ist schlecht? Geh mal zur Schule dann wird das schon wieder ( ist die bekloppt?)
  • Du hast keine Lust? Pass mal auf, ich zeige Dir gleich mal was keine Lust ist, dann kannst die nächsten zwei Tage nicht mehr sitzen, los jetzt, geh und mach das! SOFORT ! (Ist ja wie beim Militär hier)
  • Du gibst Widerworte! Pass mal auf: solange Du Deine Füße unter……. (Augenroll, boah ey)
  • Sag mal, hast Du gerade ey gesagt? (klatsch)

Ja, so schlimm fand ich das, dass ich mir vorgenommen hatte, sowas Doofes niemals zu meinem eigenen Kind zu sagen, außerdem beschloss ich, das Erwachsene ganz schön daneben sind und irgendwie auch schwer komisch. Warum dürfen die in mein Zimmer kommen, wenn ich mir grad mit meiner Freundin heimlich Make – Up auftrage? Wieso dürfen die mich unterbrechen, wenn ich was erzähle, ich aber darf das alles nicht?
Aber, ich habe das alles nur GEDACHT! Allein die Nachfrage hätte mir mindestens einen Spruch gebracht wie: weil Du ein Kind bist (hömma, ich bin 14!) und ich bin Deine Mutter! AHA, als wenn das alles erklären würde.

 

Die Anderen

Dann gab es noch eine Sache, die kann euch nicht vorenthalten, das Ding mit den ANDEREN.
Wie läufst Du rum? Was sollen die ANDEREN denken? Schrei draußen nicht so rum, ANDERE wollen ihre Ruhe! Sei ja höflich, was sollen die ANDEREN denn sonst von uns halten? Eine Schande, wie schlampig Du rumläufst (ich hatte Schmutz an meinen weißen Lackschuhen), Kind, wenn Dich einer sieht… dann muss ich mich ja schämen für Dich (Hä?)

Allerdings war ich schon als Kind eine Grüblerin, zwar eine für diese Zeit aufmüpfige aber dennoch eine „Warum ist das so? und.. -muss das so sein?- Denkerin. Und genau deshalb hinterfragte ich schon in diesem Alter ALLES, so heimlich, für mich allein, in Gedanken oder ich schrieb diese Fragen in ein hübsches Buch auf jeden Fall befasste ich mich damit.
Wenn ich heulend nach Hause kam, weil irgendein Blödmann mich beim Fußball nicht mitspielen lassen wollte (woraufhin ich ihn dann getreten oder an seinen Haaren gezogen habe) und er mir dann eine verpasst hatte, habe ich von meiner Mutter noch eine Backpfeife kassiert für das Petzen! Geh raus, wehr Dich, heul nicht rum!
Ha, dafür würde man sie heute wegen Kindesvernachlässigung und unterlassener Hilfeleistung bei offensichtlichem Mobbingvorfall anklagen.
Ja so war das, unfassbar!
Dachte ich auf jeden Fall DAMALS!

 

Heute bin ich Mutter eines Sohnes und eines kann ich euch sagen:

„Er hat diese Worte, die ich eingangs beschrieb, NIE gehört“, da habt ihr nicht mit gerechnet, oder?
Aber er hat dennoch die gleichen Werte mit auf den Weg bekommen wie ich, ja ich habe mich selbst drüber gewundert. Ich brachte ihm bei, dass er wichtig ist, aber nicht der Nabel der Welt, dass ich ihn liebe- über alles- aber er deshalb noch lange nicht alles tun dürfe, was ihm beliebt.
Ich brache ihm bei, dass Hausaufgaben wichtig sind, nicht für die Lehrer, für ihn und ich erklärte ihm warum dies so ist.

Ja, ich verbot ihm bestimmte Dinge- aber er hörte nie ein NEIN!, sondern ich erklärte ihm genau, warum er dieses oder jenes lieber lassen sollte, nicht oder niemals tun darf (in die Steckdose packen zum Beispiel) und erfand Märchen um dieses Verbot kindgerecht zu vermitteln, also ich meine jetzt echte Märchen, nicht: dann ist Mami ganz traurig, wenn sie kein Kind mehr hat. Und ja, er durfte Widerworte geben, es kam aber ganz auf die Art und Weise an, denn ich wollte doch ein Kind mit eigener Meinung.

Und *keine Lust* habe ich natürlich auch zu hören bekommen und ganz manchmal auch gelten lassen, wenn ich gemerkt habe, das mein Wunsch nicht wirklich so dringend, wichtig und terminiert ist, dann habe ich ihn doch noch etwas spielen lassen. Nicht aber, wenn eine Pflichterfüllung anstand, die wir vorher abgesprochen hatten, das ging nicht durch. Wie das funktionierte? Ganz einfach. Er hatte also keinen Bock den Müll runter zu bringen, so als einzige Tagesaufgabe eines (mittlerweile) Schülers. Okay, komischerweise hatte ich dann abends auch so gar keinen*Bock* ihn zu seinem Freund zu fahren! So einfach geht das. Wenn Du das aushalten kannst, ist schon konsequent und ja,- ich bin die kurzfristige Gefahr eingegangen, dass mein Kind mich nicht mehr liebt ;-). Und natürlich hat er alle Pfeile aus seinem Köcher geholt um mich spüren zu lassen, wie mies ich bin und wie uncool und wie gemein und er zieht bei Oma ein.

Das nächste Mal hat er sich dann aber gut überlegt, ob der Müll nach unten wandert, die Wäsche im Wäschekorb landet (dafür musst Du nur einmal sein Schulbrot – was zwischen den Heften klebte, unter die dreckigen Sachen mischen und sagen: „ach, die gehen doch noch :-)“.

 

Was das alles mit Werten zu tun hat?

Sie haben sich geändert, sie haben sich gewaltig geändert und ich weiß einfach nicht mehr, ob das gut ist.

Hören wir folgendes Beispiel:
Eine junge Frau mit Handy am Ohr geht an uns vorbei und sagt in ihr Handy:
„ey, ich bin doch kein Opfer ey, ich geh doch nicht arbeiten, die Tussi von Arbeitsamt hab ich voll verarscht, geh ich doch nicht ganze Tag arbeiten , ist die blöd die Alte oder was?“

oder: “Bei uns is anders, da bleiben Frauen zu Hause,”

oder: “Nö meine Alten gehen auch nich kloppen, machen Hartz 4, is doch klasse, ganzen Tag machste watte wills und Kohle kommt von den Bekloppten im Amt.”

oder: “Also, ich könnte das nicht wie Sie, hier den ganzen Tag im Büro sitzen, da ham se ja nix vom Tach

Any questions?

 

Warum ist das so? Was ist passiert?

Nun, alle oben zitierten Personen können gar nichts dafür, ja sie sind noch nicht einmal dumm oder schlecht, nein, sie leben alle einfach nur die ihnen vorgelebten Werte. Die Werte, die sich in ihrem Gehirn Bahnen gezogen haben, von klein auf und die täglich vorgelebt werden. Wonach sollten sich diese armen Menschen denn sonst wohl richten? Wir haben doch auch nichts anderes getan. Also kein Grund diese Leute zu verachten. Sie haben ganz genau das Gleiche getan wie Du und ich. Wie jeder von uns. Sie glauben ihre Lebenswelt, ihr Radius sei „richtig und wahr“ und dann passiert etwas mit Dir:
Du bzw. Dein Bewusst-Sein und Dein Unterbewusst-Sein, suchen sich stimmige Bilder im Außen und es wird fündig. Hundertprozentig wird es das.

 

Kennst Du das?

Du wünschst Dir einen Hund, von da an siehst Du nur noch Hundebesitzer und Hundegeschäfte und Sendungen über ausgesetzte Hündchen und Dokumentationen über Hunde als Lebensretter, bis Dein Bild *rund* ist im Kopf und Du alle Argumente zusammen hast für die Anschaffung eines Hundes (wahlweise Hund durch Auto/Haus/Partner/Schmuck… ersetzen).

Und so haben alle oben zitierten, frei erfundenen Personen (na gut, nicht ganz so erfunden) eine Lebenswirklichkeit, die sich ihren inneren Bildern anpasst. Sie sehen draußen nur andere Leute, die auch nicht arbeiten gehen. Sie sehen nur Menschen, die auch mit wenig Geld klarkommen müssen, sie sind nur mit Leuten zusammen, die genau das kennen, was sie kennen. Und die genau das leben.

Ein Ausreißer hätte es hier auch schwer. Dieses vom Tellerwäscher zum Millionär Geschwurbel haben sie vermutlich noch nicht einmal gehört. Und da sie sich überwiegend in ihrer Lebenswelt aufhalten ist doch alles stimmig, oder?
Mach den Test: halt Ausschau nach Leuten, die nichts gelernt haben, kein Geld verdienen und dennoch Spaß haben, Du wirst Dich wundern, aber schmeiße nicht sofort Deinen Job hin. Du hast nämlich für einen kurzen Moment vergessen, dass Du ganz andere Spurrillen in Deinem Kopf hast.

 

Glaubenssätze sind gefährlich

Aus diesem Grund sind Werte und Glaubenssätze richtig gefährlich:
sie sind nichts anderes als „Einstellungen“, da hat also jemand Dich oder Dein Gehirn, sprich Dein Denken so eingestellt, dass Du alles, was Du denkst und fühlst oder siehst für „wahr und einzig richtig“ hältst. Schließlich legst Du diese Schablone seit Deiner Kindheit über alles, dies ist Dein Maßstab. Bis Du diesen mal hinterfragst muss so viel passieren, bist Du so oft ent-täuscht worden, hast so viel gelitten oder aber auch so etwas Unglaublich, Großes, Schönes, Gewaltiges erlebt – dass Deine „Schablone“ eben nicht mehr passte. Diese Spur-Rillen im Gehirn haben sich über die Jahre einschleifen lassen durch beinah jede Erfahrung, aber eben auch durch die „Werte“, die man Dir mitgegeben hat. Also Deine Eltern, Geschwister, Oma, Opa, Freunde, Kindergarten, Schule wie dem auch sei, eben alles und jedes und jeder. Wie kann es da falsch sein?

 

Hm, als Rebell sage ich: nur weil es die Mehrheit ist, ist es nicht die Wahrheit

Man macht es eben so, alle machen es so, so wird es überall gemacht, das ist eben so, tu es einfach!
Das sind so die Lieblingssätze von braven Schafen, die schon immer mit der Herde gegangen sind, das ist bequem, Du eckst nicht an, Du bist unsichtbar und dadurch fällst du nicht negativ auf. Okay.

Aber Du fällst auch nicht positiv auf, wodurch denn auch, durch Angepasstheit?! Wohl kaum. Gut möglich, dass das mal ein Wert, eine Tugend dargestellt hat, ganz bestimmt sogar. Aber muss das noch sein? In einer Welt, in der wir uns alle bilden können und dürfen (also in der westlichen Welt wenigstens), in der Männlein wie Weiblein für sich selbst sorgen kann, wo Kinder nicht mehr Mama und Papa ganztags für sich beanspruchen (sie werden schließlich mit anderen Werten groß ;-)), wo nicht mehr 3 Generationen in einer Wohnung aufeinander hocken und jeder ein Auto besitzt?

Genau, Du darfst auffallen, ja Du musst sogar, vorausgesetzt Du willst als etwas Besonderes gelten.

Beim Sport, beim IQ, beim Casting, beim Bewerbungsgespräch, alles zielt heutzutage einzig und allein darauf ab ob Du einen USP (ich nenne das hier mal Unique Selling Point statt Proposition) hast oder nicht. Es ist allein wichtig, worin Du Dich von anderen unterscheidest. In jedem Vorstellungsgespräch wirst Du (leider) gefragt: worin unterscheidest Du Dich von anderen Bewerbern? (Was soll der Sch….?) Ich hätte immer am liebsten gesagt: och durch die DNA zum Beispiel. Hier wirst Du knallhart damit konfrontiert was Du bisher alles falsch gemacht hast.
Du solltest doch nie auffallen. Deine Andersartigkeit wurde doch unterbunden, Du hattest doch so oder so zu sein, Du musstest Dich doch so oder so verhalten – und nun das.

Du beginnst zu zweifeln.

War das alles richtig, was die ANDEREN Dir beigebracht haben, sind das wirklich die Dinge, die noch Bestand haben? Haben die anderen vielleicht gar nicht Recht? Und ganz plötzlich lehnst Du Dich auf, rebellierst, wirst anders und Dein Umfeld versteht Dich gar nicht mehr, Du warst doch immer so lieb. Und nun das? Bist Du in falsche Kreise geraten? Nimmst Du was?

 

Ja, Du bist süchtig

süchtig nach Deinen Erkenntnissen. Nach DEINER Wahrheit, mit anderen Worten:
Du bist entweder erwachsen geworden oder mutig oder weise.
Auf jeden Fall bist Du auf dem Weg eine Persönlichkeit zu werden und auf diesem Weg entwickeln sich Deine eigenen Werte, die auf denen Dein Leben fußt. Die Werte bestimmst Du, wie willst Du leben, mit wem, wo, wovon? Möchtest Du ein Kind und wenn ja, wie soll es aufwachsen? Was soll es in dieser Welt machen? Wo möchtest Du wohnen? Wie möchtest Du wohnen? Als was möchtest Du arbeiten? Soll Dein Partner auch arbeiten gehen?
Jaaa, all das sind Werte. Ganz gleich ob sie gut sind oder schlecht, richtig oder falsch, es sind welche.

 

Ich auf jeden Fall wünschte mir ein paar von den „Steinzeitwerten“

Die, die ich in der Kindheit erfahren habe, zurück, für die Jetztzeit. Deutschland würde kinderfreundlicher, wenn die Kinder auch wieder freundlicher wären. Deutschland hätte mehr Eltern, wäre Deutschland gut zu Eltern, wir hätten wieder Schüler, die was lernen – denn niemand würde sie fragen, ob sie sich gerade in der Verfassung fühlen lernen zu wollen oder doch lieber die Schule abreißen möchten.

Wir hätten nicht so viele Jugendliche, die bereits in psychotherapeutischer Behandlung sind, wenn die Mütter und Väter mit sich selbst klar kämen und Grenzen setzen könnten (zu meiner Zeit nannte man das einfach Erziehung), wir hätten Lehrer, die keine Angst mehr haben brauchten, ihren Job auszuüben, wir hätten Menschen ohne Burn out im öffentlichen Dienst, vor denen man einen gesunden Respekt hat, weil man von ihnen einen Dienst beanspruchen möchte und sich entsprechend verhält. Wir hätten Käufer die gerne ihr Geld in einem Geschäft lassen und keine Kunden, die von der Güte und Gnade eines Verkäufers (heute gibt es ja nur noch Warenverräumer) abhängig sind, sofern dieser ein wenig von seiner Zeit für uns abknapsen kann.

Wir hätten Ärzte, die um der Gesundheit willen praktizieren und sich nicht nach Krankenkassenvorgaben kaputt und lächerlich machen müssen, wir hätten Unternehmen, die wissen, das ihre Mitarbeiter Menschen sind und kein Human Capital, Menschen, die von ihrer Ganztagsarbeit leben können möchten und keine austauschbaren 400 Euro Billigkräfte, die 3-5 Jobs gleichzeitig haben müssen und keinen davon beherrschen (wie auch?).

Wir hätten Unternehmen, die stolz wären, dies leisten zu können und nicht beim Staat um Subventionen anhalten weil sie bereit sind, auszubilden oder einzustellen, wir wären ein Land auf das man stolz sein könnte, hätten wir Vorbilder, die nicht korrupt sind und sich auch zu schade sind, Lüge an Lüge zu reihen und uns dabei immer wieder ins Gesicht zu lächeln. Wir wären ehrgeizig und würdevoll, wenn es nicht belohnt würde, zu unterschlagen, zu hintergehen und die Gelder von Abertausenden zu veruntreuen, quasi als Voraussetzung für eine Beförderung.

Das alles können Werte. Wie es um diese bestellt ist, dürft ihr nun selbst entscheiden.

 

www.quovadix.de
Elke Dola ist PotentialProfiler und Mindset-Ninja, Wirksamkeitstrainerin, Keynote-Speakerin, Dozentin für Körpersprache, Rhetorik und positive Kommunikation, Referentin für salutogene Gesprächsführung, Kolumnenschreiberin, Arbeitspädagogin, Texterin und staatl. gepr. Referentin für Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit (DAPR), Mentor für Online- und OfflineunternehmerInnen und zert. psychologische Beraterin nach Dr. Migge