Aus der Serie: Plötzlich Führungskraft
Wie geht die frisch gebackene Führungskraft mit ihren Ängsten um?
Hier die versprochene Lösung zum vorangegangenen Thema: Hilfe, Du wirst zum Vorgesetzten Deiner Kollegen.
Hat Olaf es geschafft, sich Respekt und Vertrauen zu erhalten?
Um es gleich vorweg zu nehmen, ja er hat es geschafft, aber der Weg war eher eine Achterbahn.
Natürlich litt er unter der vorherrschenden Einsamkeit. Fachlich war alles einwandfrei. Er hatte sich auch menschlich nicht verändert.
Durch die verschiedene Seminare war er einigermaßen vertraut mit den Führungsaufgaben, die er nun zu stemmen hatte. Aber er fühlte sich nach wie vor nicht richtig akzeptiert. Sich das nicht anmerken zu lassen, war eine von vielen Spielarten, die ihm vorher fremd waren. Dies zuzugeben ist weder bei Mitarbeitern noch beim Geschäftsführer und schon gar nicht beim Vorstand möglich. Klar.
Er machte das einzig Richtige und buchte sich einen Coach.
Das Coaching
Unsere Führungskraft entschied sich für einen Businesscoach, der darauf spezialisiert war, Nachwuchsführungskräfte zu trainieren.
Zunächst einmal erarbeiteten sie zusammen ein Stärken-Schwächen-Profil.
Dann folgten Trainings für
- die motivierende und zielorientierte Kommunikation mit Mitarbeitern
- effektives Gestalten von Dialogen
- selbstbewusstes und authentisches Auftreten
- Selbstmarketing: Exzellenztrainings für Auftritt und Wirkung
- Persönlichkeitsentwicklungscoaching
- Strategieplanung für die ersten 100 Tage in der neuen Position
Da diese Coachings wöchentlich stattfanden, dauerte es eine Weile, bis alles ins Tagesgeschäft adaptiert werden konnte. In dieser Zeit litt unsere Führungskraft Olaf noch immer unter dem Rückzug seiner einstigen Kollegen. Eine davon kündigte sogar, dies bezog er natürlich erst einmal auf sich, bzw. seine neue Position. Er wurde mittlerweile schon selbst misstrauisch, jedes Flüstern oder Kichern bezog er auf sich. Auch darüber sprach er mit seinem Businesscoach.
Der Coach ließ sich Situationen in Form von Rollenspielen darstellen und ergründete so die tiefsitzenden Paradigmen seines Coachees.
Primär ging es um ein tiefsitzendes Harmoniebedürfnis, sekundär ging es um Versagensängste.
Dies belastete mit der Zeit auch sein Privatleben. Schlaflosigkeit, Nervosität, Unsicherheit und auch Gereiztheit gesellten sich immer häufiger dazu.
Nicht selten wollte er aufgeben oder eine Einrichtung leiten, in der ihn bislang niemand kannte.
Was taten seine ehemaligen Kollegen?
Ehrlich gesagt nicht viel. Sie verharrten in Wartestellung. Die angesetzten Meetings waren meist Monologe, kaum jemand äußerte sich zu seinen Fragestellungen, es war unheimlich still. Dabei wünschte er sich nichts anderes, als das sie mit ihm zusammen den Weg gingen. Davon war absolut nichts zu spüren. Sie waren immer noch sehr verhalten, höflich, freundlich aber eben nicht mehr so vertraulich wie vorher. Die Mittagspausen verbrachte er mittlerweile allein in der Stadt, in der Führungsetage oder blieb direkt in seinem neuen Büro. Manchmal brachte er Kuchen für alle mit, dies wurde dankend angenommen aber mehr auch nicht. Selbstzweifel übermannten ihn immer wieder.
Was wurde aus seinen einstigen Vertrauten?
Die Viererkombo war nur noch eine Dreierkombo, hinzu kam, dass der Vorstand sich ankündigte, um nach dem Stand der Dinge zu sehen. Ein Qualitätsaudit sollte stattfinden.
Dieses Mal hörte er auf sein Bauchgefühl und wendete sich direkt und humorvoll an seine “ältesten” Kollegen. Er fragte, ob sie zufrieden seien mit seinem Führungsstil und erfuhr Erstaunliches.
Einer gestand ihm, dass sein Führungsstil zu vorsichtig sei, er sei zu schwammig in seinen Ausführungen, nicht direkt genug. Er sei doch jetzt der Teamchef und möge sich auch so verhalten.
Er fühlte sich wie “vor den Kopf geschlagen”. Das war das Letzte, womit er gerechnet hatte. Viel zu groß war bisher die eigene Angst, jetzt den “Chef” raushängen lassen zu müssen. Auch fragte er nach, ob die Kollegin deshalb gegangen sei. Dem war natürlich nicht so, sie hatte schon lange darüber nachgedacht, sich zu verändern und hat diese Chance nun einfach ergriffen. Dies stimmte mit dem überein, was Bettina (seine ehemalige Kollegin) ihm auch zur Kündigung mitgeteilt hatte. Es war reiner Zufall, dass es fast zeitgleich mit seiner Ernennung zum Teamchef stattfand.
Die anderen beiden nickten verhalten, um dem Kollegen und seinen Ausführungen Zustimmung auszudrücken. Auch sie wurden gefragt, ob alles in Ordnung sei. Einer beichtete der Führungskraft, dass sich alle ein wenig komisch fühlen würden, erst Kollege nun Chef, keiner wisse so recht, wie damit umzugehen sei. Endlich kamen mal Bedenken auf den Tisch und Olaf verstand, warum sich alle zurückgezogen hatten.
Klartext
Unsere junge Führungskraft nahm sich vor, daran zu arbeiten. Nach einer Selbstreflexionsstunde nahm er sich ein Herz, ging zu seinen Mitarbeitern, sprach wie früher mit ihnen, machte Scherze und fragte des Öfteren nach dem Befinden und auch nach dem Stand der Zielerreichung. Er hat erkannt, dass er auch etwas dazu beitragen kann, eine gute Führungskraft zu sein. Wohldosiert und durch Coaching gestützt, setzte er sowohl seine offene Art als auch seine Führungsposition ein. Vorrangig ging es um das bevorstehende Audit. Er erklärte seinem Team, welche Wichtigkeit diesem Audit beigemessen wird und was nun zu tun sei. Es galt, Akten zu sichten, Schulungsräume auf Sicherheitsaspekte zu überprüfen, Sozialräume zu begehen, Datenschutzrichtlinien auf kontinuierliche Einhaltung und Dokumentation auf Vollständigkeit zu prüfen. Jeder Mitarbeiter bekam eine Aufgabe und zeichnete dafür verantwortlich. Er gab dem Team zu verstehen, dass er ja wisse, wie jeder Einzelne arbeitete und er dem Team da voll und ganz vertraue.
Das Audit
Verlief es gut? Ja, im Großen und Ganzen war alles in Ordnung, bis auf den geliebten Pausenraum. Dort standen Kaffeemaschinen, die kein GS Zeichen aufwiesen und es wurde bemängelt, dass alle Kaffeemaschinen, Wasserkocher und auch die Mikrowelle in den Steckdosen steckten, obschon niemand im Raum war. In den Schulungsräumen wurden die Fluchtwege bemängelt, sie waren teilweise zugestellt mit Flipcharts und Stühlen und nicht benötigten Tischen. Das war es auch schon.
Als der Bericht eintraf, stellte Olaf diesen in einem Meeting vor, äußerste seinen Stolz auf das Team, bedankte sich und stellte ein freiwilliges Team auf die Beine, welches für die dauerhafte Einhaltung dieser Vorschriften zuständig war.
Das Team
Olaf schaffte es, sich das vor seiner Zeit als Führungskraft aufgebaute Vertrauen zurückzuerobern.
Natürlich geschah dies nicht von heute auf morgen aber das Team wuchs zusammen, stand hinter seiner Führungskraft und es wurde auch wieder im Pausenraum gescherzt, gelacht und manchmal überzogen wir auch wieder, aber in dem Wissen, dass unser Teamleiter uns vertraute und genau wusste, die Arbeit würde nicht vernachlässigt werden. Es entspannte sich allmählich alles wieder. Auch wenn es beinah ein Jahr gedauert hat, gelohnt hat es sich für alle.
Die Neider, Sabotierer und die Gleichgültigen
Ja, die gab es nach wie vor. Aber dazu mehr im nächsten Artikel:
Die junge Führungskraft und der Umgang mit schwierigen Mitarbeitern
Der eine wartet, bis dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.
Dante Alighieri
www.quovadix.de
Elke Dola ist PotentialProfiler und Mindset-Ninja, Wirksamkeitstrainerin, Keynote-Speakerin, Dozentin für Körpersprache, Rhetorik und positive Kommunikation, Referentin für salutogene Gesprächsführung, Kolumnenschreiberin, Arbeitspädagogin, Texterin und staatl. gepr. Referentin für Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit (DAPR), Mentor für Online- und OfflineunternehmerInnen und zert. psychologische Beraterin nach Dr. Migge
Klasse Beitrag, vielen Dank dafür!
Liebe Elke,
dein Artikel beschreibt sehr schön, wie wichtig es gerade für junge Führungskräfte ist zu erkennen, was eigentlich alles in diesen Bereich mit rein spielt.
Führung bedeutet nicht sich von seinen Mitarbeitern zu entfernen, sondern sich der neuen Rolle in diesem Team bewusst zu werden und diese auch vollständig auszufüllen.
Das zeigt auch immer wieder, wie wichtig gerade der Wert “Freundschaftlichkeit” in diesem Zusammenhang ist.
Ich danke dir für diesen tollen Beitrag!
Liebste Grüße,
Carina
Du sagst es Carina, genau so ist es. Vollständig ausfüllen gefällt mir in diesem Zusammenhang enorm gut. Das Du es als Wert betrachtest macht die Sache rund, hört sich so an , als wüsstest Du genau wovon Du sprichst. Kennst Du Ähnliches? Erst einmal herzlichen Dank für Deinen Kommentar und Deine Sicht auf die Dinge. Es grüßt Dich die Elke
“Gerade noch Teil eines Team und ab jetzt Führungskraft” das kann schon verunsichern.
Eine große Herausforderung ist dabei, den Auftrag von oben mit den eigenen Werten und Prioritäten unter einen Hut zu bekommen.
Die neue Führungskraft soll mit einer Mission inspirieren, die – wenn es das Umfeld erlaubt – auch gemeinsam mit dem Team entwickelt werden darf. Ihre Aufgabe ist es, Klarheit bezüglich der Ziele zu vermitteln.
Die Aufgabe ist es nicht, ein besserer Mitarbeiter zu sein. Es liegen andere Aufgaben an. z.B. sich mit den Charakteren des Teams zu befassen. Wie ticken die Mitglieder?
Alles ein großes Feld, bei dem wirklich ein guter Coach unterstützen kann.
Viele Grüße,
David