Manchmal will ich wieder “früher”

Nein, niemals hätte ich gedacht, dass ich diesen Satz einmal aussprechen, geschweige denn s c h r e i b e n würde. Aber jetzt ist es soweit!

Ich weiß schon, alles ist zu seiner Zeit richtig und angemessen usw., dennoch werde ich das Gefühl nicht los, wir alles hätten etwas “verloren”.

Und zwar Dinge, die uns “früher” gar nicht wichtig waren, ist ja auch kein Wunder, sie waren einfach da! Allein auf Grund dieser Tatsache wurden sie schon gar nicht bemerkt. Ungefähr so, wie ein Möbel, das man nach einigen Jahren gar nicht mehr wahrnimmt, obschon man täglich dran geht und sich ein Stückchen Schokolade herausnimmt.

 

Mysteriöse Zeitgenossen

In letzter Zeit häufen sich die Gelegenheiten, bei denen ich mich frage, ob wir nicht anders können, als uns sagen zu lassen, was gut ist für uns. Jeder weiß, wie das einzig richtige Onlinebusiness auszusehen hat. Nur wenn Du einen Kundenavatar hast, kannst Du auch Produkte für die richtigen Kunden finden.

Nur wenn Dein Avatar – ein Alter, einen Namen, eine Geschichte hat, wie: Familienstand, Hund (Dackel Bruno, nicht einfach Hund), Kinder (Susi Sunshine und Maurice Merlot, beide Realschule), eine spitz umschriebene Wohnsituation hat – Doppelhaushälfte, Stadtrandbezirk einer Studentenstadt, linke Seite, Vorgarten voller Rosenstöcke mit winzig kleinen Elfen in den Zweigen (aus winterharter Keramik), einer bunten, witzigen Fußmatte und einem Designerbriefkasten mit Glasbullauge und die Mutter Kiara Chayenne, Betriebswirtin MA, der Vater Marvin Maddox, Dipl.Ing. mit Audi A6 und 60 Stundenwoche, – hat; und nur dann, bist Du in der Lage, Dein Produkt auch zu verkaufen.

Also mache bitte vorher eine genaue Kundenanalyse, WER SIND DEINE KUNDEN?

 

Viereckige, karierte Maiglöckchen mit Dornen

Finde heraus, welche Probleme Dein Kunde hat und dann löse es gefälligst. Aber löse nur eines seiner Probleme, mit zwei Lösungen wäre Dein Kunde vollkommen überfordert, nahezu verloren wäre er und deshalb wirst auch Du ihn wieder verlieren. TU DAS NICHT! Konzentriere Dich so spitz Du kannst auf EIN EINZIGES Problem.

 

Lies das! So geht das!

Wenn Du das herausgefunden hast, brauchst Du nur noch einen Blog, auf dem postest Du täglich höchst professionellen, hilfreichen, Mehrwert bietenden Content- aber ausschließlich für dieses EINE Problem. Täglich – gerne mehrmals, wöchentlich, monatlich, jahraus, jahrein, viele Jahre lang. Du glaubst ja gar nicht, wie viele Menschen “da draußen” genau dieses Problem haben. Und DU, ja nur DU kannst es lösen, biete alles. Schmeiß so viel Wissen wie Du kannst erstmal raus, kostenlos und hochwertig.

 

Nur Loser haben keine Spezialisten

Gut wäre auch, Du engagierst einen Grafikdesigner, der Dir die richtigen Hintergründe für Deine Blogposts entwirft.

Vergiss auch nicht den IT-Spezialisten, wer sonst soll denn dafür sorgen, dass Du den richtigen SEO Check machst. Wer soll auf Dein Ranking achtgeben?

Hast Du alle Keywords recherchiert? Du weißt nicht, was das ist? Kein Problem, da gibts Blogger, die haben sich auf genau diese Keywords eingeschossen und die lösen gerne Dein Problem. Du brauchst nicht dafür zahlen, sie haben aus reiner Langeweile studiert.

 

Hast Du recherchiert?

WAS? Du schreibst Blogeiträge mit nur 1000 Wörtern?!

Na, das kann ja nichts geben. Die Studie 0815 aus dem *Hause Wort und Sinn* hat im Januar 15 herausgefunden, dass Beiträge erst ab 1500 Wörtern gelesen werden und daher auch ab dieser Zahl erst für google interessant seien.

Aha!

Leider besagt die Studie *Mensch und sein kleines Leben* aus Dez. 14, dass heute niemand mehr Zeit hat zu lesen, viele sogar gar nicht mehr in der Lage dazu seien, sich entweder nicht konzentrieren können oder gar nicht mehr sinnverstehend lesen zu können, dies sei auch der Grund für das Posten von Bildchen bei Facebook, gerne mit Essen (oh ein Schnitzel mit Pommes- LIKE) oder noch lieber Tierposts. Ein Post mit einer Katze, nein wie süüüüüüüüüß, och wie drollig: 1.287.000Likes und pro Post an die 376 Kommentare, eines mit Hund, Leute, schlimmer als junge Mamis: also unser Arco, der ist ja sowas von musikalisch, er spielt vierpfotig Piano. Die Kommentare unter diesen Fotos sind geprägt von Ehrgeiz, Mitgefühl, Habenwollen, Habich auch – nur meiner kann mehr, Verständnis, Besserwisserei und Stolz und Vorurteil.

Versuche das mal mit einem Kinderschicksal, mit Flüchtlingen oder einer Familie, der das Haus weggebrannt ist. 2 LIKES. 0 Kommentare.

(Ja, da wird geliked, dass ein Kind vermisst wird, eine Familie vor dem Nichts steht oder eine 16-jährige Schülerin von 3 ca. 20-25 J. alten Männern….- ihr wisst schon)

Mag dem Fehlen einer Dislikefunktion bei FB geschuldet sein.

 

Was wir von Kätzchen und Hundis lernen können

So, wonach richtest Du Dich jetzt?

Die Menschen lesen nicht mehr, also ein Post von Deinem Produkt muss her, sofern es ein organisches ist. Das dann 100 x täglich, müsste doch reichen, oder? Kannst ja immer einen anderen Hintergrund nehmen, ich empfehle Dir hier ein niedliches Katzenfoto oder 5 Welpchen in Nahaufnahme. Klappt das alles nicht, wähle bitte den Hintergrund, Schweinenackensteak an BBQ-Sauce mit ordentlich Bier und der Erfolg ist garantiert.

Oder willst Du wirklich nur die intellektuellen Kunden, die, die ab 1500 Wörtern lesen? Na gut. Dann schreibe nachts (nach Deinem Fulltimejob) Blogartikel darüber, warum die Menschheit ohne Deine Buchstaben nicht überlebensfähig ist. Aber ärgere Dich nicht, Du wirst kaum einen Kommentar dafür erhalten, die Menschen da draußen haben nämlich ein Recht darauf, dass Du Dir Deine Nacht um die Ohren schlägst, um Dich dann ihrer Gnade auszusetzen, von ihnen gelesen zu werden oder nicht. Sie haben es gar nicht nötig, etwas dazu zu schreiben. Sie wollen konsumieren, kostenlos, schnell, ständig, überall. Das ist ein Grundrecht des modernen Menschen. (und, meins 😉 ).

 

Sorry, Luftballon reicht nicht mehr

Du musst sie anlocken!

Eine Luftballontraube vor Deinem Ladenlokal wie bei Tante Emma (Ladenlokal, wie retro) reicht da längst nicht mehr, auch nicht mehr der Bierstand und die unsägliche Bratwurst. Du musst MEHRWERT liefern, viel Mehrwert, hochwertigen Mehrwert! Noch höherwertiger. Content, Content, Content.

Biete als Freebie oder Goodie mindestens 1-6 E-Books und 4 kostenlose Webinare monatlich an, reicht das nicht, leg noch ein kostenloses Telefoncoaching drauf und bitte sorge auch für die 24-stündige Erreichbarkeit für potentielle Interessenten, falls diese mal um 3:50 Uhr in der Nacht von Sonntag auf Montag eine Frage haben, dann und nur DANN werden sie sich in Deinen Newsletter eintragen. Nur dann hebst Du Dich aus der Masse der Trilliarden Anbieter ab.

Jepp, alles gemacht! Hat geklappt!

 

Meine Mariele und ich

Name Mariele Q. Musterhaus Yippee! Your list has gained a new subscriber.

So 0.05 Uhr

Klar, Mehrwert geboten, Tage, Nächte, Wochen und Monate damit zugebracht hochwertigen Content zu liefern, recherchiert, geschrieben, umgeschrieben, aufbereitet, formatiert und noch einen 7-teiligen Videokurs oben drauf gelegt und JA es hat geklappt, da hat sich jemand eingetragen, ich bin glücklich, noch während ich es meinem Lebensmenschen erzähle, passiert das:

Name Mariele Q. Musterhaus Your list has lost a subscriber.

So 0.07 Uhr

Ähm, *räusper*, oh, naja, okay, gern geschehen liebe Mariele Q., da war er wieder der Nehmen und Gehen-Typ. Freebie gezeckt – shit happen´s.

Wütend denke ich: Danke wäre ja auch mal nett gewesen, aber nein.

Warum denn? Ich habe doch lediglich einen Anspruch der Digi-Menschen bedient, was rege ich mich auf? So läuft das eben – und genau so etwas war “früher” nicht, man hat sich artig bedankt, wenn man etwas erhalten hat.

Einen Luftballon oder ein Feuerzeug zur Stange Zigaretten.

Sich einfach das zu nehmen, was man so braucht muss neu sein, an mir jedenfalls ist das völlig vorüber gegangen.

 

Bäume umarmen und gut is

Ich poste meine temporäre Minidepression auf FB und was muss ich erfahren?

Ich habe das alles höchstselbst angezogen. Jawoll! Durch das Gesetz der Anziehung. Es wird vermutet, dass ich/wir gar keine Subscriber oder Kunden oder Interessenten oder Abonennten haben wollen. Wenn wir nur tief genug in uns hinein hören, dann werden wir erkennen, dass wir das selbst zu verantworten haben. Wir sollen uns Gedanken darüber machen, was es uns sagen will und außerdem sollen wir uns beglückwünschen, denn dieser “Kunde” passte ja eh nicht zu uns, den brauchen wir ja gar nicht. Wenn wir nur erkennen, was das über uns selbst aussagt, dann haben wir auch den Schlüssel dazu, wie es in Zukunft besser geht.

Ich denke intensiv darüber nach und stelle fest. Jau, stimmt, habe ich mich jemals für den Erhalt eines Newsletters bedankt? Ähm…nein. Siehste. Die Spiritcoachs haben ja sowas von Recht. Ich bin ein undankbares Wesen vom Stamme Nehmengehen. OH nein. Jetzt wird mir alles klar.

 

Blöder Schweinehund

Aber….stammelt mein innerer Schweinehund, ich habe auch noch nie die Dreistigkeit besessen mich einzutragen, etwas zu nehmen und wieder zu gehen.

Sei ruhig, Schw…… die dürfen das, kannst ja auch so machen, was kann denn die Welt dafür, dass Du das nicht so machst?

Schw….. geht ins Körbchen und schmollt und grübelt.

AHA. Ich warte…..okay, ich muss wohl noch mehr geben, noch mehr bieten, noch spitzer positionieren. Vermutlich weiß ich gar nicht, wen ich ansprechen will.

 

Die ultimative Lösung heißt Kiara Chayenne

Also…. Kiara Chayenne ist blond, mittellanges Haar mit Strähnchen, trägt gerne Joop-Anzüge und Mandarina Duck Handtaschen, sie steht jeden Morgen um 7.30 Uhr gerne auf, denn sie freut sich auf jeden Arbeitstag, als wertvolles Mitglied der Gesellschaft arbeitet sie ehrenamtlich bei der Tafel und erzieht ihre Kinder 4-sprachig. Sie liebt ihren Mann und hält ihm den Rücken frei, sie hat ihren Haushalt astrein gepflegt und nimmt gern ein Coaching für 150 Euro / Std. 2 x die Woche in Anspruch, denn sie weiß, hier kann sie wachsen, Ziele erreichen und ihre Persönlichkeit optimieren. Sie geht jeden Freitag ins Fitnessstudio, alle 14 Tage zum Edelfriseur und zweimal monatlich zur Kosmetikerin um sich ausreinigen zu lassen. Ihre Kinder sind zu dieser Zeit beim Dressur-Reit-Unterricht, der Mann im Meeting, also absolut freie (sorgenfreie Zeit).

Ich bin ganz ergriffen, boah hab ich klasse Kundinnen. Tränen schimmern in den Augenwinkeln.

So, nun muss es ja klappen!

Was glaubt ihr, hat es funktioniert?

 

Früher war mehr Lametta

War das früher nicht doch schöner? Es kam ein Produkt auf dem Markt, man wollte es haben, man kaufte es. Du wurdest an der Kasse nicht nach der Postleitzahl gefragt, Du hattest keine EC-Karte. Du wußtest nicht, wie viele Schritte Du bis zum Geschäft gelaufen bist und wie viele Kalorien Du dabei verbrannt hast.

Du hast die Tageszeitung, die auf Deiner Fußmatte lag gelesen und dabei Cafe getrunken. Du kanntest die Menschen in Deinem Ort und sie Dich. Du hast kein Like bekommen, nur weil Du Samstags Deine Schrottkarre gewaschen hast und wo Du im Urlaub warst, erfährt 3 Wochen nach Deiner Rückkehr jeder Postkartenempfänger (gibt´s die überhaupt noch?).

Du warst einfach Mensch, kein Avatar, kein durchgemessener, gläserner, analysierter, digitaler Nutzer – nur Mensch.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe Digi, ich liebe Technik, ich nutze und verehre sie aber manchmal, manchmal habe ich Sehnsucht nach “früher”.

 

Jetzt Du

Geht es Dir auch so? Oder bist Du ganz anderer Meinung? Dann schreib uns doch bitte. Sag uns, ob wir noch mal “früher” brauchen. Hinterlasse uns Deinen Kommentar, wir freuen uns darauf.

www.quovadix.de
Elke Dola ist PotentialProfiler und Mindset-Ninja, Wirksamkeitstrainerin, Keynote-Speakerin, Dozentin für Körpersprache, Rhetorik und positive Kommunikation, Referentin für salutogene Gesprächsführung, Kolumnenschreiberin, Arbeitspädagogin, Texterin und staatl. gepr. Referentin für Public Relations und Öffentlichkeitsarbeit (DAPR), Mentor für Online- und OfflineunternehmerInnen und zert. psychologische Beraterin nach Dr. Migge